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Du Paquier Becher mit Unterschale

Bemalt von Ignaz Bottengruber, Wien um 1730
Mit seltenen, biblischen Szenen von Johannes dem Täufer in Purpur Camaieu, umrahmt von bunten Kartuschen mit spielenden Putti

Unterschale: Ø 12,7 cm / Becher: 6,6 cm hoch / keine Marken

Provenienz: Slg. Anderegg, Schweiz (von Siegfried Ducret betreut)

Der linke Putto neben der Kartusche auf dem Becher hält ein Schriftband in seiner Hand mit der Aufschrift «Ecce Agnus Dei» — ein Verweis auf die Bibelszene mit Johannes dem Täufer, der "Seht, das Lamm Gottes" ausruft, als er während einer Predigt Christus vorübergehen sieht (Joh 1:29). Welcher Stich Bottengruber bei der Purpur Camaieu-Szene des Bechers zugrunde lag, wissen wir nicht. Johannes der Täufer, der auf das Lamm zeigt, ist aber ein bekanntes Motiv christlicher Ikonographie.

Siehe nachfolgende Abb.: Links und rechts unserer Becher, in der Mitte ein Stich von Jonas Umbach (Augsburg 1624–1693), Johannes den Täufer unter einem Baum mit Lamm darstellend, ebenfalls mit Spruchband „Ecce Agnus Dei“

Die Szene auf der Unterschale stellt ebenfalls den Heiligen Johannes dar, diesmal während seiner Bußpredigt (Mt 3:1): "In jenen Tagen tritt Johannes der Täufer auf, er predigt in der Wüste Judäas und spricht: Tut Buße! Denn das Königreich der Himmel ist nahe gekommen."

Auch hierfür haben wir den Stich nicht finden können. Es gibt in der Kunstgeschichte aber berühmte Beispiele für diese unverkennbare Szene, mit Johannes, wie er über den Menschen steht, die unter ihm die Köpfe zusammenstecken und demütig seinen Worten lauschen. Ein bekanntes Beispiel ist das Gemälde "Die Predigt Johannes des Täufers" von Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606–1669).

Siehe nachfolgende Abb.: Links die Szene auf unserer Unterschale; rechts ein Ausschnitt des Gemäldes „Die Predigt Johannes des Täufers“ von Rembrandt in der Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin

Unser Becher mit Unterschale weist in Aufbau, Farben, Kartuschengestaltung sowie in den von Bottengruber so geliebten Putti starke Ähnlichkeit mit der von ihm mit "JBottengruber F(ecit) Vienna 1730" datierten und signierten sog. "Puttentasse" im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie auf (Fired by Passion Bd. I Abb. 6:31).

Pazaurek widmet dieser Tasse mit Unterschale eine Farbtafel (1925 Bd. I 15) und bezeichnet sie als "Hauptstück" des Meisters (1925 Bd. I S. 189 Fn. 1). An anderer Stelle (Pazaurek 1902 S. 151) beschreibt er die Ober- und Untertasse als das "künstlerisch best gelungene Werk Bottengrubers."

Siehe nachfolgende Abb.: Die Wiener „Puttentasse“ mit Unterschale

Auch das von Pauzaurek gerühmte Nebeneinander von "Camayeu-Malerei und Polychromie nebst Vergoldung" (1925 Bd. IS. 191) findet sich sowohl auf unserer als auch auf der Wiener Puttentasse nahezu identisch.

So sehr unser Becher der Wiener "Puttentasse" ähnelt, ein Unterschied ist unverkennbar: beim Sujet der Purpur Camaieu-Szenen hat Bottengruber bei den Wiener Porzellanen auf die für ihn typischen bacchantischen Putti zurückgegriffen; bei unserem Becher mit Unterschale hingegen auf biblische Szenen — für Bottengruber überaus selten, wenn nicht sogar einmalig.

Pazaurek kannte nicht ein einziges Werk mit religiösen Themen. Er schrieb: Bottengrubers "Lieblinngsthemen" waren "Putten und mythologische Scenen, in erster Reihe aus dem Reiche des Bacchus und Neptun, Schlachtenbilder oder Jagdscenen" (Pazaurek 1902 S. 155). "Religiöse Motive sind unter den Bottengruberstücken nicht bekannt" (Pazaurek 1925 Bd. I 187). Auch wir haben kein weiteres Porzellan mit biblischen Szenen finden können.

Wir haben bei unseren Recherchen jedoch eine interessante Entdeckung gemacht: Dass unser Becher und die Wiener «Puttentasse» in enger Beziehung zueinander stehen, ist aufgrund der großen Ähnlichkeit wie bereits beschrieben unverkennbar. Beide Porzellane sind 1730 entstanden, was aufgrund der Datierung des Wiener Porzellans sicher ist. Sicher ist auch, dass Bottengruber sich in dieser Zeit mit der Ikonographie des Heiligen Johannes beschäftigt hat, was bei der Purpur Malerei unseres Porzellans seinen unmittelbaren Ausdruck gefunden hat.

Interessant ist, dass das Motiv der Putti auf der Wiener Tasse, die um eine Ziege herumtollen, einem Stich des Niederländischen Malers Cornelius Galle II (1638–1678) ähnelt, auf dem Christus, Johannes der Täufer und ein Engel — in Gestalt von Putti — mit dem Lamm spielen. Der Titel dieses Stichs: «Ecce Agnus Dei».

Siehe nachfolgende Abb.: Links der Wiener Becher; rechts der Galle-Stich "Ecce Agnus Dei": Christus, den Heiligen Johannes und einen Engel in Puttengestalt mit einem Lamm spielend darstellend.

Literatur

Cassidy-Geiger, Maureen: „The Porcelain Decoration of Ignaz Bottengruber.“, In Metropolitan Museum Journal 33 / 1998

Kuhn, Sebastian: „The Hausmaler.“, In Fired by Passion. Hartford / Stuttgart 2009 Bd. I S. 498 – 545

Pazaurek, Gustav E.: Deutsche Fayence- und Porzellan-Hausmaler. 2 Bände., Leipzig 1925

Pazaurek, Gustav E.: „Ignaz Bottengruber. Einer der ältesten Deutschen Porzellanmaler.“, In „Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer.“ Bd. II Breslau 1902

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