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Die lebensgroßen Mopshunde von Johann Joachim Kaendler

Unter den zahlreichen Varianten von Mopshunden, die in Meissen von Kaendler geschaffen wurden (wohl über 60 verschiedene, wie Schandelmaier und Helke im Katalog der Slg. Stihl angeben, 2020 S. 24), stechen die sitzenden in Lebensgröße besonders heraus und bilden eine Kategorie für sich. Auf der Internetseite der Dresdener Porzellansammlung im Zwinger heißt es zu der dortigen, ähnlich großen Mopshündin (Inv.-Nr. PE 3891, 22,9 cm hoch):

„Mit ihrer lebensgroßen Erscheinung und dem Verzicht auf einen Sockel gehören sie zu der frühen Tierauffassung Kaendlers, die auf eine möglichst naturgetreue Wiedergabe abzielt.“

Ergänzend schreibt Ulrich Pietsch im Katalog „Meißner Porzellanplastik“ (2006 S. 191):

„Daß Kaendler die Tiere nach dem Leben modelliert hat, beweist seine genaue Beobachtung und Wiedergabe der Details … Die feine gestrichelte Staffierung des Fells und die dunkelbraunen Augen verleihen den Hunden einen sehr lebendigen Ausdruck.“

Diese Beschreibung passt exakt auch zu unserer Mopshündin. Die lebensgroßen, sitzenden Mopshunde (ab 22 cm) sind im Verhältnis zu den anderen, kleineren Varianten (auf Rasensockeln) wesentlich seltener (s.u.).

Wie die Arbeitsberichte Kaendlers zeigen, schuf er die lebensgroßen Mopshunde im Jahr 1741, darunter auch den ersten im Auftrag des Grafen Brühl.

Januar 1741

Kaendlers Bericht über seine Feierabendarbeit „mit Beihülffe eines Gesellen“ (Pietsch Arbeitsberichte 2002: S. 86, Rafael in Keramos 203–204/2009 S. 32):

- „4. Einen Hund in Lebensgröße“
- „5. Einen do. mit 2 Jungen“

Kaendlers Taxa (Rafael in Keramos 203–204/2009 S. 49):

- Nr. 39 „1. Hund in Lebens Größe nach dem Gemählde, vor Se. Hoch-Reichs Gräffl. Excell. Den H. Geheimbden Cabinets-Ministre Graffen von Brühl – 4. Thlr.“
- Nr. 40 „1. Dergl. darzu gehörig mit 2. Jungen – 7. Thlr.“

Februar / März 1741
Kaendlers Feierabendbericht (Pietsch 2002 S. 86):

  • „5. Ein Mopß Hündigen, wie er an dem alten säugt.“

Kaendlers Taxa (Rafael in Keramos 203–204/2009 S. 49):

  • Nr. 47 „1. Mopß Hund in Lebens Größe mit einem jungen, wie er an dem alten sauget – 7. Thlr.“

Juni 1741

Kaendlers Feierabendbericht (Pietsch 2002 S. 86):

  • „Ein sitzender Mopß Hund in Lebensgröße“

Kaendlers Taxa (Rafael in Keramos 203–204/2009 S. 50):

  • Nr. 58 „1. Mopß hund in Lebens Größe siezend wie er sich umsiehet – 5. Thlr.“

Im November / Dezember d.J. schuf Kaendler ein weiteres Modell, das er in seiner Taxa und seinem Feierabendbericht mit „mittelmäßiger“ Größe beschreibt (Pietsch 2002 S. 87; Rafael in Keramos 203–204/2009 S. 53). In Abgrenzung zum Modell in Lebensgröße, kann es sich hierbei nur um die formgleichen Mopshunde — ebenfalls sitzend und ohne Sockel — handeln, die zwischen 17 cm und 18 cm Höhe liegen. Siehe u.a.:

Mops und Mopsorden
Der Mops stammt vermutlich aus China, von wo er durch die Ostindien Company nach Europa gebracht wurde (Wark I. Nr 51, Wikipedia, 06.07.2022). Wegen seines besonderen Aussehens und Charakters — die Tiere gelten als witzig, lebhaft und übermütig, treu, liebevoll und anhänglich — avancierte er schnell zum allseits beliebten Modehund an europäischen Höfen.

Ausschlaggebend für den Kult um den Mops war der (vermutlich) von Clemens August 1740 gegründete Mopsorden. Mit der freimaurerisch geprägten Gesellschaft sollte die Bannbulle In eminenti apostolatus specula (1738) von Papst Clemens XII. unterlaufen werden, die bei Strafe der Exkommunikation die Zugehörigkeit zur Freimaurerei verbot. Die Aufnahmezeremonie in den Mopsorden persiflierte die geheimen Riten des Freimaurerordens. Zur allgemeinen Belustigung der Gesellschaft mussten die neuen Mitglieder — auch „Möpse“ genannt — eine ebenso geheimnistuerische wie komische Initiationsprozedur durchlaufen. Dazu gehörte es, an der Tür zu kratzen wie ein Hund, bei verbundenen Augen an der Leine hereingeführt zu werden und — einen Porzellanmops auf den Hintern zu küssen. Für jeden Eingeweihten war also ein solcher Mops ein klarer Hinweis, dass sein Besitzer Mitglied des Mopsordens — ein Ordensbruder — war.

Zum Mopsorden siehe:

  • Köllmann, Erich: „Der Mopsorden“. In Keramos 50 /1970
  • Pérau, Gabriel-Louis (1700-1767): L‘Ordre des francs-maçons trahi et le secret des Mopses révélé. Amsterdam 1745
  • Hanke, Roland Martin: „The Order of the Pug“. In The T&T Collection. Porcelain Pugs. A Passion. Brüssel 2019
  • Wikipedia

Vergleichsstücke
Lebensgroße Mopshunde, über 22 cm hoch

  • - Porzellansammlung Dresden, PE 3891, Möpsin mit Jungem, 22,9 cm hoch
  • Königsschloss Wawel, Krakau, zwei Mopshunde
  • Collection Van Slyke, Sotheby’s New York 26.09.1989 Nr. 162, Weibchen mit Jungem, 23,1 cm hoch = The Collection of Baron Max von Goldschmidt-Rotschild, Parke-Bernet Galleries, New York 14.04.1950 Nr. 286
  • The Patiño Collection, Sotheby’s New York 01.11.1986 Nr. 5, Paar mit Kerzenleuchter-Montierung, Höhe der Möpse: 24,4 u. 23,2 cm
  • Koller 19.03.2007, Nr. 1627, Paar, 22,5 u. 25 cm hoch
  • The T&T Collection, Kat. Brüssel 2019 Nrn. 6–10, In der großen privaten Mopssammlung befindet sich die einmalige Anzahl von 5 Paaren lebensgroßer Mopshunde

Literatur

Albiker, Carl: Die Meissener Porzellantiere im 18. Jahrhundert., Berlin 1935

Andres-Acevedo, Sarah-Katharina: Die autonomen figürlichen Plastiken Johann Joachim Kaendlers und seiner Werkstatt zwischen 1731 und 1748., Stuttgart 2023

Dumortier, Claire u. Habets, Patrick: The T&T Collection. Porcelain Pugs. A Passion., Brüssel 2019

Helke, Gun-Dagmar u. Schandelmaier, Hela: Höfische Begleiter. Möpse und andere Hunde in Porzellan und Fayence., Stuttgart 2020

Köllmann, Erich: „Der Mopsorden.“, In Keramos 50 /1970

Pietsch, Ulrich: Die Arbeitsberichte des Meissner Porzellanmodelleurs Johann Joachim Kaendler 1706 – 1775, Leipzig 2002

Rafael, Johannes: „Zur »Taxa Kaendler«.“, In Keramos 203 – 204 / 2009

Wark, Ralph: The Wark Collection: Early Meissen porcelain., Cummer Gallery of Art. Jacksonville 1984

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