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Unser Teilservice besteht aus feinem durchscheinenden Böttgerporzellan, das vor der Markeneinführung in Meissen geschaffen wurde. Die Malerei ist in der Art des japanischen Kakiemonstils gehalten, die Farbpalette ist dominiert von Malventönen: helles Purpur, Eisenrot und Böttgerlüster, dezent eingesetztes Grün und Gelb.

Die Form der Teekanne mit ihrem ornamentalen, s-förmigen Henkel mit Stegansatz und aufgerollten Enden (Weber II S. 428) sowie der faconierten Tülle ist in den Berichten über die Tätigkeit der Meissner Dreher und Former vom 6.6.1722 bis 31.12.1728 mit der Bezeichnung „Theekrügel“ dokumentiert (Boltz in Keramos 178/2002 S. 104 Abb. 101). Im Jahr 1722 — dem ersten, für das Produktionszahlen bislang publiziert worden sind — wurden nach Boltz 264 Stück hergestellt. Unsere Kanne könnte Teil davon gewesen oder aber auch schon ein Jahr früher produziert worden sein. Die hexagonale Teedose ist ein typisches Meissner Formstück.

Zur Datierung bieten sich weitere Anhaltspunkte. Die Motive der Malerei mit den Luftfelsen, „indianischen“ Blumen und Vögeln erinnert an japanische Kakiemon-Porzellane, die ab 1729, während der Hoym-/Lemaire-Affäre, bis 1731 die Meissener Produktion dominierten. Unser Service ist jedoch weitaus früher entstanden. Die Farbpalette weicht vom typischen Kakiemon-Stil ab und ist von hellem Purpur und Eisenrot charakterisiert, die mit dem kräftigen, auf Teekanne und -dose dekorativ eingesetzten Böttgerlüster harmonieren. Der Bötgerlüster ersetzt augenscheinlich den in der Malerei gänzlich fehlenden Golddekor, den Höroldt erst ab 1726/27 richtig berherrschte (Langeloh 2019 S. 557). Die fehlenden Goldbordüren, die ansonsten von Funcke oder seiner Werkstatt kamen, ebenso wie die Farben, die für Funcke atypisch sind, sprechen dafür, dass wir es hier nicht mit einer Funck’schen Arbeit aus der Zeit vor Höroldt zu tun haben, sondern dass das Teilservice von Höroldt selbst oder in seiner damals sehr kleinen Werkstatt (Horn oder Heintze) bemalt worden ist. Mit Blick auf den Lüster kommt auch keine Hausmalerarbeit in Frage.

Ausschlaggebend für die Datierung ist neben der frühen Malerei die fehlende Markierung. Die Service-Teile haben weder Ritzmarken, die ab ca. 1732 in Meissen verwendet wurden, noch eine Manufakturmarke. Die erste Verwendung einer unterglasurblauen Marke, die in Meissen dokumentiert ist, ist die Caduceus-Marke auf den sechs berühmten blauweisen Schalen mit Segelschiffen. Dank deren Palastmarke „N=68-W“ und der Angaben im ersten Inventar des Japanischen Palais, weiß man, dass die Schalen im Februar 1722 vom König in seine Sammlung ins Japanische Palais geliefert worden sind (Langeloh 2019 S. 570; Boltz in Keramos 153/1996 Abschnitt c S. 70; Menzhausen 1969 S. 50). Später, im Juli 1722, erfolgte die Einführung der ersten Buchstabenmarke „MPM“, gefolgt von „KPF“ (November 1722), KPM (Dezember 1722) und dann (wohl nach April 1723) KPM mit Schwerter, worauf die generelle Einführung der Schwertermarke für sämtliche Meissener Porzellane folgte.

Wir datieren nach allem unser Teilservice vor diese Zeit der Markeneinführung auf 1721/22. Die wenigen Vergleichsstücke, die unserem Service in der Malerei ähnlich sind, stützen diese Datierung: Sie alle stammen aus der Zeit, um oder vor Einführung der Schwertermarke:

  • Christie’s Paris 15.05.2003 Nr. 363, Koppchen und Unterschale mit der selben Bordüre wie auf dem Deckel unserer Teedose (ein schöner Nachweis für eine original Höroldt-Bordüre im Unterschied zu den Funck’schen Goldbordüren); frühe Caduceus Marke; von Christie’s wohl etwas zu früh auf „1720“ datiert.
  • Christie’s 30.09.1991 Nr. 202, Teedose mit sehr ähnlicher Bemalung und gleicher Farbpalette, der Deckel, wie bei unserer Teedose, mit Böttgerlüster, keine Marke.
  • Slg. Wark I Nr. 398, frühe hexagonale Teedose mit Aufglasur-Schwertern (während der Einführungsphase des Schwerterns in Meissen), von Wark auf 1724 datiert.
  • Slg. Schneider (Weber II Nr. 444), „Theekrügel“ mit Adlerkopf als Ausguss; Aufglasur-Schwerter (Einführungsphase des Schwerterns), Kakiemonblumen
  • Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (Boltz in Keramos 178/2002 S. 105 Abb. 101) frühe europäische Landschaften, KPM mit Schwertermarke

Literatur

Boltz, Claus: Die wöchentlichen Berichte über die Tätigkeit der Meissner Dreher und Former vom 6. Juni 1722 bis 31. Dezember 1728, In Keramos 178/2002

Boltz, Claus: „Japanisches Palais-Inventar 1770 und Turmzimmer-Inventar, 1769.“, In Keramos 153 / 1996

Langeloh, Elfriede: 100 Jahre. Porzellane und Fayencen des 18. Jahrhunderts. 1919–2019., Weinheim 2019

Menzhausen, Ingelore: Böttgersteinzeug Böttgerporzellan., Dresden 1969

Weber, Julia: Meißener Porzellane mit Dekoren nach ostasiatischen Vorbildern. Stiftung Ernst Schneider in Schloss Lustheim. 2 Bände, München 2013

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