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Die Wärmeglocke gehört zu einem repräsentativen Tafelservice, das König August III von Polen und Churfürst von Sachsen im Auftrag seines Sohnes, des Kronprinzen Friedrich Christian, dem venezianischen Gesandten am französischen Hof 1741 zum Geschenk gemacht hat. Im Nachgang zu dessen Grand-Tour nach Italien 1738–40 und der seinerzeitigen gastfreundlichen Aufnahme im Hause des Prinzen Campo Florido, dem damaligen dortigen spanischen Botschafter, in dessen Residenz in Venedig. Mauren Cassidy-Geiger, zusammen mit Sebastian Kuhn und Don Victor haben den verbreiteten Irrtum über die Herkunft des Wappens aufgeklärt (Fragile Diplomacy S. 228 u. Fn. 143). Bis dahin wurde das Wappen der neapolitanischen Familie Mauro d’Aversa zugeordnet.

Das große Wappen der Familie auf unserer Wärmeglocke ist umgeben von Fahnen und Kriegstrophäen, drapiert von einem Hermelin gefütterten Mantel sowie der Kette und das Kreuz des St. Januarius-Ordens. Dieser Orden wurde 1738 von Carl IV von Neapel und König beider Sizilien gestiftet, nachdem er sich mit Maria-Amalia Christina, der Tochter Augusts III vermählt hatte (Hoffmeister ebd. S. 652). Das Ordenskreuz, das bei dem Frühstückservice noch fehlte, zeigt und benennt den Schutzpatron Neapels, den Heiligen Januarius (St. Janviere).

Das Service, und in Sonderheit die Wärmeglocken, erregten 1745 in Pairs die Aufmerksamkeit des Porzellanliebhabers und -Kenners, des Duc de Luynes bei einem Dinner, das Campo Florido als Botschafter in Paris (seit 1740) zu Ehren der Königin Beider Sizilien gegeben hat. In Bd. 5 seiner 1861 publizierten Memoiren (S. 126 f.) hält er seine Beobachtungen anlässlich des Diners vom 18.8.1745 fest (Fragile Diplomacy S. 229 Fn. 145):

„We noted a very beautiful porcelain service which was used at both tables; it displayed the coat of arms of the ambassador; it seemed quite substantial; there are even covers to go over the plates. The Royal Prince of Poland, on his way to see his sister in Naples, passed through Venice, and was well-received by Mr. de Campoflorido. He (the Prince of Poland) gave him (Mr. de Campoflorido) a gift and has added to it since then. M. The Ambassador, desiring a few more pieces, had sent money to Dresden. The King of Poland, however, after finding out that it was for him, commanded that his money be sent back to him and that he be sent the porcelain he desired.“

Die Order zum Service erging wohl schon 1740, der Hauptteil wurde 1741 gefertigt, nachdem das mit dem Kreuz des St. Januarius-Orden gebesserte Wappen des Prinzen nach einer Intervention durch den Grafen Brühl endlich in Meissen vorlag (Fragile Diplomacy ebd. Fn. 147 u. S. 229). Aus dem Juni 1741 existiert ein vereinzelter Arbeitsbericht Kaendlers aus dieser Zeit, der sich allerdings auf eine andere Form bezieht: „Nr. 5 Eine große Forme zu denen Einsetz Schalen oval gemuschelt Vor den Printzen von Campo Floriedo gefertigt.“

Das Modell der runden Wärmeglocken ist wohl unter Mithilfe von Johann F. Eberlein entstanden, der zwischen Nov. 1740 und Feb. 1741 die fünf verschiedenen Glockengrößen, die zum Schwanenservice gehören, geschaffen hat (Reinheckel 1989 S. 203 a.E. u. Fn. 114) — also etwa zu der gleichen Zeit als das Campo Florido-Service entstand. Das gleiche wird für das Northumberland-Service (1740–45) gelten. Clarke hat hierüber in Keramos 70/1975 berichtet (S. 25 ff.) und generell die Seltenheit der erhaltenen Wärmeglocken hervorgehoben und vier Glocken des britischen Services (Abb. 35, 85, 88, 89) vorgestellt.

Vergleichsstücke:
Wärmeglocken aus dem Campo Florido-Service, alle mit der gleichen, von der Manufaktur veranlassten Montierung:

  • Hoffmeister Nr. 373 = Fragile Diplomacy fig.10–41 S. 228 = Sotheby’s 15.3.1983 Nr. 69 = Sotheby’s 14.6.1988 Nr. 134
  • Christie’s 28.6.1976 Nr. 112, zwei Stück
  • Eine ovale Bratenschüssel aus dem Service, Keramos 70/1975 S. 26 Abb. 31 = Sotheby’s 10.7.1973 Nr. 56

Andere Teile des Services sind auch relativ selten:

  • Milchkännchen, Slg. Wolf Nr. 102 = Sotheby’s 5.2.1974 Nr. 136
  • Teedose, Slg. Jörg Nelte (Christie’s 12.10.1995 Nr. 55)
  • Zwei Doppelhenkelbecher (Christie’s 5.10.1981 Nr. 116) = Christie’s 5.12.1994 Nr. 226

Literatur

Cassidy-Geiger, Maureen (Hrsg.): Fragile Diplomacy: Meissen Porcelain for European Courts., New Haven / London 2008

Hoffmeister, Dieter: Meissener Porzellan des 18. Jahrhunderts. Sammlung Hoffmeister. 2 Bände., Hamburg 1999

Reinheckel, Günter: Prachtvolle Service aus Meissner Porzellan., Leipzig 1989

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