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Runde Platte mit fassoniertem Rand, bemalt mit ombrierten Holzschnittblumen und Insekten. Auf der Oberseite der Fahne das gräfliche Wappen Ferrero: von zwei Meerjungfrauen gehaltenes Schild, Kette des Annunziatenordens, gekreuzte Marschallstäbe (zum Wappen siehe Hoffmeister Bd. II S. 650).

Die Platte ist Teil des Services für den Savoyischen Großkanzler und Staatsminister Carlo Francesco Vincenzo Ferrero, Marchsese d’Ormea. Es zählt zu den 3 berühmten Servicen, die den Übergang von den „Indianischen Blumen“ — die bis dahin in Meissen ausnahmslos Geltung beanspruchten — zu den sog. „ombrierten Holzschnittblumen“. Es sind dies die engstens verwandten Service, die mit dem neuen Dekor — dem sog. „Saxe Ombre“ — europaweit für Auf­sehen gesorgt haben (Lübke 2011 S. 25) — neben Ferrero:

  • Für den Kurfürsten von Köln Clemens August: das sog. Chur Cölnische Service
    Im Sep. 1741 bestellt, letzter Arbeitsbericht Kaendlers vom Mai 1742 (Iwe In Keramos 195 /2007 S. 4)
  • Für den Fürstbischof von Ermland Adam Stanislaus von Götzendorf-Grabowski: das sog. Grabowski Service.

Das Service mit dem Wappen unter dem Fürstenhut wurde im Oktober 1742 geliefert, nachdem Grabowski in diesem Jahr zum Erzbischoff ernannt und gefürstet worden war. Er zog als Fürstbischoff am 08.10.1742 in seine Diözese Ermland ein (Lübke 2011 S. 7, Bodinek im Kat. Das holländische Dorf aus Meissener Porzellan. 2015 S. 28). Zu diesem Anlass wurde das Service geliefert. Die Zahlung des Services erfolgte wohl Ende 1742 (Lübke a.a.O.). Bodinek (2015 S. 30) sieht in dem Service ein Geschenk des Sächsisch-Polnischen Hofes an seinen loyalen Polnischen Gefolgsmann – ohne allerdings Belege dafür anführen zu können. Götzendorf-Grabowski erhielt als Metro­polit das Pallium am 24.09.1742 und ist damit der Fürstbischoff von Ermland, der berechtigt war, den Fürstenhut in sein Wappen aufzunehmen (Bodinek 2015 Fn. 40 S. 44).

Die zeitliche Einordnung der drei Service ist nicht vollständig geklärt. Iwe (a.a.O.), der am eingehendsten zum Chur Cölnischen Service geforscht hat, hält zurecht die beiden anderen Service als die früheren. Lübke beansprucht für das Grabowski Service das Erstgeburtsrecht — trotz der dokumentierten Archivlage vom Herbst 1742. Sein Hauptargument gegen Ferrero ist die irrige Behauptung, alle Ferrero Teile hätten eine Pressnummer, die im September 1739 eingeführt wurde. Dagegen sprechen zwei Teller aus dem Ferrero Service, die sich ehemals in unserem Besitz befanden und die keine Pressnummer haben. Zudem ähnelt die „21“ auf der Rückseite unserer Platte eher einer Ritzmarke als einer eingepressten Nummer, die mit den im September 1739 angeschafften Nummernstempeln ausgeführt wurde.

Beides spricht dafür, dass Teile des Services aus dem Lagerbestand genommen worden waren und somit für eine frühere Datierung, die in die Übergangszeit der Einführung der Pressnummern fällt. Zu bedenken ist auch, dass das Grabowski Service, wie Lübke im Rahmen seiner überaus gründlichen Recherchen ermittelt hat, zunächst nur aus 12 Tellern bestand, die nach religiös motivierten Vorgaben aus alten Handschriften des Fürstbischofs bemalt wurden (Lübke a.a.O.), einzelne Teller sind allerdings auch nach den Weinmann Stichvorlagen bemalt worden.

Anders bei dem Ferrero Service, bei dem bislang keine Weinmann Vorlagen bekannt geworden sind. Das spricht für einen früheren Entstehungszeitpunkt. Angesichts dessen — sowie mit Blick auf die späte Auslieferung des Grabowski-Services im Herbst 1742 — ist wohl nicht davon auszugehen, dass der Triumph der „Saxe Ombre“ auf die eher bescheidene Bestellung Grabowskis zurückgeht. Nach allem erscheint es eher plausibel zu sein, das dem Ferrero Service die Ehre zukommt, das erste Meissener Service mit natürlichen deutschen Blumen (und Insekten) zu sein. Dazu passt auch, dass der Manufaktur seit Ende 1741 (27.12.) die ersten beiden Bände Weinmanns Phytanthoza iconographia aus der Bibliothek Zinzendorf für ihre Zwecke zur Verfügung standen (Schärer 1996 S. 219) und ebenfalls seit dieser Zeit verschiedene Blätter aus der Sammlung von Heynitz (Bodinek 2015 S. 19). Die ausgeliehenen Bände und Blätter waren sicher nicht für den rauen Werkstattbetrieb gedacht, sondern dienten dazu, die Entscheidung über die Nutzung des großen botanischen Werks Weinmanns als eine komplett neue Stilrichtung der Meissener Malerei gegen den französisch dominierten Geschmack der Zeit herbeizuführen. In den Monaten April, Mai und September, Oktober 1742 wurden die ersten Bände der Phytanthoza iconographia durch die Manufaktur angekauft — nur wenig früher waren umfangreiche Lieferungen von Stichvorlagen nach Watteau, Boucher und Lancret angeschafft worden.

Ungeachtet der Frage nach dem Primat, bleibt der enge zeitliche und malerische Zusammenhang der drei Service, die eine neue stilistische Epoche in Europa eröffnet haben, bestehen.

Neben den gelegentlich vorkommenden Tellern sind große Platten äußerst selten, es sind uns nur 3 weitere Exemplare bekannt:

  • 1 Schale im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart (Pazaurek 1929 S. 46 Abb. 24)
  • 2 Platten im Museo Civico del Castello Sforzesco, Milano

Literatur

Hoffmeister, Dieter: Meissener Porzellan des 18. Jahrhunderts. Sammlung Hoffmeister. 2 Bände., Hamburg 1999

Iwe, Thomas: „Das churcöllnische Speiseservice für Kurfürst Clemens August von Köln.“, In Keramos 195 / 2007

Lübke, Diethard: Das Grabowski-Service: Meißen 1742–1754., 2011

Miedtank, Lutz: „Zur Einführung und namentlichen Zuordnung von Zahlen als Dreher- und Formerzeichen auf Meissener Porzellan ab September 1739.“, In Keramos 232 / 2016

Rückert, Rainer: „Alchimistische Symbolzeichen als Meissener Masse-, Former-, Bossierer- und Drehermarken im vierten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts.“, In Keramos 151 / 1996

Pazaurek, Gustav E.: Meißner Porzellanmalerei des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1929

Schärer, Jürgen (Hrsg.): Höroldt 96‘., Meissen 1996

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