A1
verkauft

Kaendlers „Indianische“ Figuren für den großen Tafelsaufsatz des Grafen Brühl von 1737

Die Figurenfolge ist zentraler Bestandteil der großen Platmenage auf „Indianische Arth für den Grafen Brühl“, die Kaendler 1737 geschaffen. Sie ist ein höchst eigenständiges und äußert originelles Werk und zählt zu seinen Hauptwerken.

Rückert (In Keramos 150/1995 S.23) nennt sie „eine herausragende schöpferische Leistung in der Entwicklung eines eigenen europäischen Porzellanstils“. Nach Zimmermann ist sie das phantastischste und reichste Werk Kaendlers in dieser Zeit (zit. nach Sotheby’s 25.3.1958 Nr. 145). Sie ist der erste Auftrag des Grafen Brühl nach seiner Erhebung in den Reichsgrafenstand (27.5.1737).

Das Ensemble besteht aus der kompletten Folge Gewürzgefäße, die für eine Seite des Tafelaufsatzes vorgesehen war und vor dem großen Zitronenkorb auf der Unterplatte stand:

Ölkännchen in Form eines Chinesen, der auf einem Hahn reitet: 17,5 cm hoch, 14,4 cm breit / Spuren einer Schwertermarke auf dem unglasierten Boden

Senfgefäß in Form einer Chinesin, die im Damensitz auf einer Henne reitet: 18,5 cm hoch, 17,3 cm breit / Schwertermarke auf dem unglasierten Boden / unbestimmte Pressmarke

Zuckerstreuer in Form zwei sich herzender Chinesen: 20,1 cm hoch / schwache Schwertermarke auf dem unglasierten Boden

„Gewürzbüchse“ in Muschelform: 14 cm breit, 6,7 cm hoch / unterglasurblaue Schwertermarke

Die Idee zu dem großen Tafelaufsatz auf Japanische Art geht auf Kaendler und den Grafen Brühl aus der Mitte des Jahres 1737 zurück. Brühl beauftragte Kaendler mit einer entsprechenden Entwurfszeichnung. Im Juni 1737 berichtet Kaendler in seinem Arbeitsbericht (lfd. Nr. 7) hierüber:

„Ihro Hoch Gräfl. Excelenz den Herren von Brühl zwei große Zeichnungen Von Eparnien auf Japanische Art gefertiget mit Zucker Bücksen, Essig, Oel Krügeln, so groß als solche in Natura verlanget worden, welche meistentheils in Fügüren bestanden.“

Schon im Juli/August d.J. berichtete Kaendle über den Beginn seiner Arbeiten an dem Surtout und erwähnt erstmals zusätzlich den Zitronenkorb und das Senfkrügel im Juli/August 1737 (lfd. Nr. 14):

„Vor Ihro Excellenz den Herren Grafen von Brühl: Eine große Eparnie oder Platt Menage angefangen auf Indianische Arth, da den das obere Teil allwo die Zitronen hineingelegt werden, mit Füguren, und Indianischen Vögeln Welche auf Ästen so mit Blumen Bewachsen sind, sitzen, verziert ist, woran auch noch viele andere Zieraten befindlich. Solche Stück ist fertig, das Unterteil aber und übrige Dinge als Essig, Senff und Baum Öhl Krügel Welches alles in Figüren bestehet, ist nur aus gröbsten pousiret, weil solches Stück viel Mühe erfordert.“

Unmittelbar anschließend im Sep/Okt hat Kaendler in einem Zuge die restlichen Teile der Platmenage geschaffen, die er ausführlich in seinen Arbeitsberichten beschreibt (lfd. Nrn 1-9, siehe unsere ausführliche Expertise).

Von der großen Unterplatte, die für den Tafelaufsatz geschaffen wurde, gibt es nur zwei bekannte Ausführungen: eine im Bayerischen Nationalmuseum (Slg. Dr. Schneider, Schloß Lustheim) und eine im Art institute Chicago. Das Ensemble im Bayerischen Nationalmuseum ist die einzig komplette Ausführung. Nach Katharina Hantschmann gilt sie als Höhepunkt der großen und bedeutenden Sammlung Schneider (siehe Kat. Schwanenservice S. 210–215 u. Ausstellungskat. 2010 S. 115 ff.).

Der Tafelaufsatz war für die Tafel im Brühl’schen Palais in Dresden bestimmt, fiel jedoch im Siebenjährigen Krieg als Kriegsbeute in die Hände Friedrichs des Großen, der ihn seinem General Heinrich von Möllendorf (1724–1816) schenkte. Die darauffolgenden Station bis hin zur Sammlung Schneider können heute zurückverfolgt werden (siehe unsere Expertise).

Die Tatsache, dass unsere Figurenfolge auch die Gewürzbüchse enthält, ist ein Beleg dafür, dass unsere Figuren tatsächlich Teil eines Tafelaufsatzes waren und keine späteren Ausformungen. Denn von der Gewürzbüchse haben wir, mit Ausnahme derjenigen in der Sammlung Schneider, kein weiteres Exemplar finden können. Zudem haben unsere Figuren keine Pressnummern (wie die meisten Vergleichsstücke, siehe unsere Expertise), was ihre Entstehungszeit vor 1739 belegt.

Literatur

Pietsch, Ulrich (Hrsg.): Schwanenservice: Meissener Porzellan für Heinrich Graf von Brühl (1700 – 1763), Leipzig 2000