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Ein seltener Dreiersatz Bustelli-Vasen (Bluem-Krüge) mit Früchtedekor

Zwei Flötenvasen, Höhe 19,8 cm (= Bluem-Krueg-Stifflen, Vasen in Stiefelform)
Eine Balustervase mit Deckel, Höhe 19,5 cm , ohne Deckel 15,4 cm (= Bluem-Krug)
Bustelli Modelle um 1755
Ausformung und Staffierung um 1765

Keine Rautenschildmarken, dafür aber markante Dreher- und Bossierermarken aus dem 18. Jahrhundert:

  • Bossierermarke auf der Deckelvase (Hofmann Bd. III, Markentafel S. 698 Nr. 26), die sel-be wie auf Ihrem Krug mit dem Sujet aus der Spiegelmanufaktur
  • Drehermarke auf dem Vasenpaar: P1 gestempelt und eingeritzt (Markentafel Nr. 49)
  • Auf einer Vase eingeritzt: V

Form, Modelle der Vasen
Das Modell der Vasen dürfte von Bustellis Hand stammen, denn schon im Inventar von 1755 – also nach dessen Ankunft in Neudeck 1754 – sind unsere Vasen wie folgt verzeichnet (Hof-mann III S. 570 und 569):

"Bluem-Krueg-Stifflen" und "Bluem-Kruege" mit und ohne Deckel; "Vaserl mit Bluembüsch-len"; endlich eine "Vase, so bossiert und mit Deckel", dieses mit 30 fl. das teuerste Stück der ganzen Liste. Mit den "Bluem-Krueg-Stifflen" oder "in Stiefelform", wie sie anderwärts ge-nannt werden, sind die sog. Flöten gemeint, im Gegensatz zu den rundbauchigen "Bluemkrue-gen".

Unsere Vasen sind also nach der frühen Neudecker Terminologie zwei Bluem-Krueg-Stifflen ohne Deckel und ein Bluem-Krueg (= Balustervase) mit Deckel.

Merkwürdigerweise sind diese Vasen im Preisverzeichnis von 1767 (Hofmann III S. 708) nicht aufgeführt. Dort ist lediglich eine fünfvasige "Pots Pourry“ Garnitur und eine Potpourrievase auf 3 Füßen (Kat. Bäuml Nr. 735) verzeichnet. Die Potpourrievasen der Garnitur sind wohl, wie deren Beschreibungen nahelegen (Stiffel Facon), aus den ursprünglichen Bustelli-Formen entwickelt.
Die Entscheidung der Manufaktur, die Vasen nicht in das Preisverzeichnis von 1767 aufzu-nehmen, erklärt vielleicht die außerordentliche Seltenheit der frühen Nymphenburger Vasen. Schon Hofmann (III 637) ist diese erstaunliche Tatsache aufgefallen, dass in Nymphenburg des 18. Jahrhundert große Vasen überhaupt nicht, mittlere Vasen bis rd. 20–25 cm sehr, sehr weni-ge (s.u.) und etwas mehr an Miniaturväschen (7,5–11 cm) hergestellt worden sind.

Bei unserem mittleren Vasentyp – Fehlanzeige in allen großen Sammlungen:

  • Slg. Hirth 1898
  • Katalog Bayerisches Nationalmuseum (Hofmann 1908)
    Heute ist der Levi-Vasensatz (Christie’s 02. u. 03.07.1956 Nr. 157) im Bayerischen Nationalmuseum ausgestellt (siehe Abb.)
  • Ausstellungskatalog „Altes Bayerisches Porzellan“ 1909
  • Slg. Hirth, Auktion 1916 und 1919
  • Slg. Bäuml 1997

Hofmann (I 55 Abb. 45) konnte in seinem großen Werk nur ein einziges Vasenpaar (mit Chi-nesen) zeigen, dessen Veröffentlichung Bäuml (in Keramos 34/1966 Abb. 1 - Höhe 23 cm) wiederholt und dem Maler Oettner wohl zurecht zuschreibt. Damit Datierung vor 1755 (?) Ein-zelne Vasen dieses Typs sind überhaupt nicht nachweisbar; uns ist lediglich ein weiterer 3er Vasensatz aus der berühmten Sammlung Bruno Levi bekannt, die 1956 anonym unter dem Titel "An Unique Collection of Nymphenburg Porcelain" bei Christie’s in London (2./3. Juni) zur Versteigerung kam. Die mittlere Vase mit Deckel ist mit 22,5 cm etwas größer, die beiden Flö-tenvasen mit 18,7 cm etwas kleiner als die unseren. Angesichts dieser Seltenheit freuen wir uns, einen kompletten Dreiersatz präsentieren zu können.

Malerei
Die Vasen zieren je 2 Früchtestillleben, die in Form von Blumenbouquets arrangiert sind. Die Malerei erinnert stark an jene, die wir von der Spülkumme aus der Sammlung Bäuml (Kat. Nr. 452) kennen, die Ziffer wohl zu unrecht Zächenberger zuschriebt und um 1765 datiert.
Die Trauben und die darüber hängenden Pflaumen auf der einen Vase, die Rebstöcke und deren feines Geäst, die der Schwerkraft trotzenden sowie aufstehenden Blätter und deren Gestaltung finden sich recht exakt wieder auf der Kumme.

Alfred Ziffer (a.a.O.) spricht sie mit leichtem Vorbehalt dem großen Nymphenburger Blumen-maler Joseph Zächenberger zu. Eine Begründung fehlt.
Von dem zweierlei Grün der Blätter und den Insekten, besonders den Schmetterlingen auf dem Deckel abgesehen, finden sich keine der typischen Zächenberger-Merkmale auf unseren Vasen. Die Früchte-Arrangements sind locker, duftig und pastos gemalt und nicht dunkel-
tonig, dicht oder abschattiert (vgl. Ziffer Kat. Bäuml S. 133 und 165).
Der Maler unserer Vasen und der Bäuml-Kumme ist unserer Auffassung nach identisch, aber noch nicht identifiziert. Drei zum gleichen Service wie die Kumme gehörende Platten (Chris-tie’s 04.07.1988 Nr. 134 und Sotheby’s 09.11.1993, nicht bei Ziffer) zeigen dieselbe Hand-schrift:

  • Die aufrechtstehenden Blätter
  • Die verschiedenfarbigen Trauben
  • Der Anschnitt der Zitrone
  • Der Gesamteindruck
  • Die Art der Darstellung des Maikäfers auf dem Deckel

Die Emailfarben und das Gold der Malerei wurden am 01.10.2020 mittels Röntgenfluores-zenzanalyse vom Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie (das zu den Reiss-Engelhorn-Museen gehört) von Dr. Lutz untersucht. Das Ergebnis ist typisch für das 18. Jahrhundert und bestätigt unsere Datierung: Kein Chrom (Cr) im Grün, kein Wismut (Bi) im Gold; geringe Spuren von Zink (Zn) im Gelb.

Literatur

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