Meissen Paar Schneider auf dem Ziegenbock und Schneiderin auf der Ziegengeiß
Meissen Modelle von 1740 von Johann Joachim Kaendler und Johann Friedrich Eberlein
Schneider: Schwertermarke auf der Rückseite des Sockels, 24 cm hoch, Ausformung und Bemalung 1745/50; Schneiderin: Schwertermarke auf dem Bisquit-Sockel, 18 cm hoch, Ausformung und Bemalung 1745/50
Arbeitsbericht November 1740 (lfd. Nr. 12): „Den Schneider Welcher auf ein Ziegen Bocke reutet Vollends gefertiget und zur Porcelain Arbeit befördert. Wie Er seinen ganzen Werkzeug bey sich führet.“
Kaendler hat seinen Schneider auf dem Ziegenbock erstmals 1737 in der großen Version geschaffen (Arbeitsbericht Mai 1737 Nr. 12). Dieses Modell, von dem bis heute keine einzige Ausformung aus dem 18. Jahrhundert bekannt geworden ist, hat eine Höhe von 44 cm und ist ohne Bodenplatte (Rückert in Kunst und Antiquitäten 3/1979 S. 24).
Drei Jahre später, 1740, haben Kaendler und Eberlein in gleicher satirischer Weise, jedoch in kleinerem Format das Thema wieder aufgenommen. Einer — wie so häufig bei den Meissner Figuren — anekdotischen Überlieferung zufolge, soll Kaendler die Figur als ein Spottbild auf den Hofschneider des eitlen Grafen Brühl geschaffen haben. „Diesem habe der Graf angeblich einst versprochen, an einem der königlich kurfürstlichen Bankette im Schloss teilnehmen zu dürfen. Was aufgrund der strengen Etikette undenkbar war, wurde dem Schneider durch einen Trick gewährt. In Porzellan ausgeformt, fand er seinen Platz auf der festlichen Hoftafel“ (Xenia Ressos: Die Welt ›en miniature‹. Figürliche Porzellanplastik der Kaendlerzeit, in Meissen – Barockes Porzellan in Köln, Ausst.- Kat. Köln 2010 S. 69 Fn. 41; Rückert a.a.O.; Berling 1900 S. 90 f.; zu den erotischen Anspielungen dieser Gruppe, die bis in die Antike zurückreichen siehe Rückert a.a.O. S. 35).
Die Ausformung unseres Schneiders, den wir auf etwa 1745/50 datieren, zeichnet sich dadurch aus, dass er eine Vielzahl der Attribute und Werkzeuge eines Schneidermeisters zur Schau stellt:
- das Bügeleisen im Maul des Bocks;
- die Pistolentaschen auf beiden Seiten des Ziegenristes, die mit Stoffballen, Knöpfen und einer Manschette gefüllt sind;
- die Schneiderelle als Degen zur linken gestaltet;
- die übergroße Schere als Siegeszeichen in der Rechten;
- die beiden Zicklein in der Holzbütte auf dem Rücken des Schneiders, korrespondieren mit und ergänzen das Bild der jungen Schneidersfrau, der von Eberlein geschaffenen Partnerin.
Der Schneider auf dem Ziegenbock ist das Gegenstück der Schneiderin auf der Geiß, die Johann Friedrich Eberlein im August 1740 modelliert hat. In seinem Arbeitsbericht vom August 1740 heißt es: „Eine Schneiders Frau mit einem stillenden Kinde auf einer Ziege reitend, nebst einer jungen Ziege, die säuget.“
Vergleichsstücke (Paare)
- Slg. Schneider (Rückert 1966 Nr. 885, 978 T. 216, diesem Exemplar kommt unsere Ausformung am nächsten)
- Slg. Pauls-Eisenbeiss (1972 S. 346 ff.)
- Wadsworth Atheneum, Hartford CT
- Brattig Ausstellungskatalog 2010 Nr. 51, 52
- Slg. von Klemperer Nr. 607, 608
- Slg. von Pannwitz II Nr. 301, 302
- Slg. Hermine Feist (Kat. Berlin 1937 Nr. 496 T. 35)
- Slg. Budge Nr. 785, 786 T. 128
- Partridge 1899 Nr. 910 (Case 10), Nr. 984 (Case 9)
- Slg. Kempski (Kunze-Köllensperger 2008 Nr. 58, 59)
- Victoria & Albert Museum