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Der Eichelhäher oder der "Eichel Gabith", wie seine historische Bezeichnung lautet, gehörte zur Grundausstattung des Japanischen Palais innerhalb deren die königliche Menagerie aus großen Porzellanvögeln und -Tieren eine prunkvolle Sonderrolle einnahmen.

August der Starke wollte mit diesen Schöpfungen seiner einzigartigen Porzellanmanufaktur glanzvoll zeigen, dass sie den japanischen und chinesischen Porzellanen ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen waren.

Im Oktober 1735 hat Johann Kaendler das Urmodell des Eichelhähers im Auftrag des Königs geschaffen. In seinem Arbeitsbericht (Pietsch S. 34 lfd. Nr. 2) heißt es:

„Ein Eigel gabich poussiret Welcher ins Königl. Balläis gehörig, ist Vorgestellet Wie er auf einem Großen Eigel Ast sitzet, Welcher mit Eigeln und Blättern Stark bewachsen ist, und sich eine Eigel abfrißet Welches sein Futter ist, so sind auch unter schiedliche Raupen, wie auch ein Pörner [Hirschkäfer (?) nach Wittwer] welche sich gerne auf den Eigel Bäumen auf halten, daran befindlich.“

In der Tat sind im Mai 1736 zwei Eichelhäher in das Japanische Palais geliefert (Wittwer S. 218; Boltz Keramos 153 / 1996. S. 96) und unter der Johanneumsnummer 356-W (Ziffer S. 240) inventarisiert worden. Weitere Lieferungen sind offensichtlich nicht erfolgt. Im Inventar des Japanischen Palais von 1770 und dem des Turmzimmers im Dresdener Schloss von 1779 fehlen die Eichelhäher.

1739 wurde das zunächst für den König exklusiv vorbehaltene Modell für den allgemeinen Verkauf freigegeben (Ziffer S. 240), was durch die Aufnahme in die Preisliste der Manufaktur belegt ist. Das war für Kaendler Anlass, sich 1739 erneut mit den Eichelhähern zu beschäftigen. Um die Exklusivität des königlichen Modells zu wahren, hat Kaendler bei dieser Gelegenheit in der Regel das Modell des Vogelkörpers belassen aber die Gesamtgröße der Figur verringert. Kaendler hat bei unserem Vogel schlicht und einfach den üppigen Busch aus Eichenlaub des Urmodells weg gelassen und damit die Gesamtgröße um 4 bis 5 cm auf knapp 40 cm reduziert. Er hat allerdings – anders als bei den späteren Ausformungen – den Stamm in seiner ursprünglichen, schlichten Ausstattung belassen. Das trifft genau auf unseren Vogel zu. Wir können von daher die Zeit der Ausformung unseres Vogels genauer datieren, nämlich auf vor Oktober 1739.

Zwischen dem 1. Oktober 1739 und dem 31. Januar 1740 hat Kaendler sein Eichelhähermodell nochmals überarbeitet. Dies hat er in seinem Arbeitsbericht im Feierabendbericht in dieser Zeit festgehalten (Pietsch S. 63; Rafael S. 32 u. Ziffer a.a.O.):

„Eichel Gabicht ebenfalls in Lebens Größe, wie solcher auff einem Stock sizet, natürlich vorgestellet, neben dem Gabicht ist ein Eichhorn in Lebens Größe auf einem Ast sizend in Thon poußiret, nebst anderen daran befindl. Zierathen.“

„1. Eichel Gabicht gleichfalls auf dem Stocke sizend, nebem welchem ein Eichhorn in Lebens Größe auf einem Aste sizet, 5 Thlr.“

Kaendler hat für diese Arbeit in seiner TAXA lediglich 5 Taler in Rechnung gestellt, da er das Modell als solches unverändert gelassen und lediglich durch das vollplastische Eichhörnchen ergänzt und weiter ausgeschmückt hat. Im Preis-Courant von 1765 (Berling S. 199) war der "Eichel Gabicht" mit 30 Talern einer der am höchst bepreisten Porzellane.

Trotz dieser Preise waren die Eichelhäher in ihrer neuen Form ein sehr beliebtes Modell. Sie zählten künstlerisch und technisch zu den aufwendigsten Modellen dieser Zeit, deren Modellierung und Ausformung größte Sorgfalt und Erfahrung voraussetzte (Ziffer S. 249).

Auffallend ist, dass die Eichelhähermodelle zunächst nicht als Paar, sondern als Einzeltier modelliert waren. Anders als bei sonstigen Tieren, bei denen Kaendler in seinen Arbeitsberichten von Gegnern, Partnern, Compagnons und ähnliches spricht, fehlt hier jeglicher Hinweis darauf. Die zwei für das Japanische Palais gelieferten Eichelhäher waren, wie wir aus eigener Kenntnis heraus wissen, aus ein und derselben Form, den Blick jeweils nach rechts gerichtet.

Wir gehen davon aus – ein entsprechender Beleg fehlt bislang –, dass Kaendler oder einer seiner Mitarbeiter im Laufe der zweiten Hälfte der 1730er Jahre den Kopf eines nach links blickenden Eichelhähers neu geformt hat, wie es für die Mandelkrähen dokumentarisch belegt ist. Dort hat Ehder im Nachgang zu Kaendlers Urmodell einen neuen "Mandelkrahen Kopfff in Thon poussieret" der für das Gegenstück bestimmt war (Ziffer S. 246)

Kaendler hat sich also erst spät, nämlich Anfang der 1740er Jahre, als er gerade den Eichelhäher mit dem Eichhörnchen geschaffen hatte, dazu entschlossen, diesem einen echten Partner zur Seite zu stellen, der am Stamm mit einer brütenden Meise mit Nest dekoriert ist.

Literatur

Pietsch, Ulrich: Die Arbeitsberichte des Meissner Porzellanmodelleurs Johann Joachim Kaendler 1706 – 1775, Leipzig 2002

Wittwer, Samuel: Die Galerie der Meißener Tiere: die Menagerie Augusts des Starken für das Japanische Palais in Dresden., München 2004

Boltz, Claus: „Japanisches Palais-Inventar 1770 und Turmzimmer-Inventar, 1769.“, In Keramos 153 / 1996

Röbbig, Kunsthandlung: Kabinettstücke, Die Meissener Porzellanvögel von Johann Joachim Kändler., München 2006

Rafael, Johannes: „Zur »Taxa Kaendler«.“, In Keramos 203 – 204 / 2009

Berling, Karl: Das Meissner Porzellan und seine Geschichte., Leipzig 1900

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