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Malerei
Ein außergewöhnlicher Bourdalou mit feinsten Chinoiserien von Höroldts eigener Hand.

Die Vorderseite des Bourdalous ziert eine für Meissen ungewöhnliche Malerei: eine fröhliche Badeszene, in einem mit Schilf bewachsenen Teich mit zwei nackten Chinesinnen im Wasser, links daneben ein zuschauendes Paar in einer Art Badehäuschen am Uferrand. Wir haben nur eine vergleichbare Szenerie finden können: Die in der Mitte des Bildes stehenden nackten Chinesinnen vor dem großen Schilfgewächs sind völlig gleich auf einem Krug in der Eremitage St. Petersburg (Liackhova 2007 Nr 25,). Interessant ist, dass dieser Krug aus Höroldts unmittelbarem Familienumfeld stammt. Er ist dem Bruder seiner Ehefrau „G(eorge) E(rnst) Keil 1726“ gewidmet.

In der Sammlung Carabelli (Pietsch Nr. 44, siehe Abb. oben) ist eine Unterschale zu einem Koppchen, die ebenfalls eine vergnügte Badeszene zeigt. Hier sind es spielende nackte Kinder die von einem Erdhang aus in einen Teich rutschen. Ulrich Pietsch schreibt dazu: „die lebensvolle schwungvolle Darstellung wird man ehesten Höroldt zuschreiben wollen.“ Dieses Urteil gilt erst recht für unseren Bourdalou. Pietsch datiert die Tasse (ebenfalls ungemarkt) mit 1725, ebenso wie wir unseren Bourdalou.

Die Szene auf der Rückseite unseres Bourdalous schmückt ebenfalls ein Limonaden-Becher aus dem Rijksmuseum Amsterdam (Den Blaauwen Nr. 41 = Pietsch 1996 Nr. 140), den Höroldt der Schwiegermutter oder seiner Schwägerin gleichen Namens — Beate Christina Keilen — zum 16.09.1726 gewidmet hat. Unsere Szene, in der Darstellung weitestgehend übereinstimmend, ist allerdings größer, breiter und in ihrem eigentlichen Narrativ vollständiger angelegt. Bei der Darstellung unseres Bourdalous — anders als beim Becher — erschließt sich der eigentliche Sinn der Szene. Es ist die dem Meister und sein Werk mit Blicken und Gesten bewundernde Chinesin, während dieser mit seinem langstieligen Pinsel und seinem breitkrempigen Hut letzte Hand an sein Werk legt, mit dem er offensichtlich zufrieden ist. Sie fehlt in Amsterdam. Der fragende Blick zurück des Chinesenknaben, der die Leinwand hält, geht ins Leere und bleibt dort ohne Erklärung. Unsere Figuren sind größer, feiner ausgemalt und plastischer. Das gilt auch für den Chinesen hinter dem Meister, der die Szene und nicht das Bild betrachtet, was man in Amsterdam nicht so genau beobachten kann. Wir haben es hier also mit dem extrem seltenen, wenn nicht einmaligen Fall zutun, dass Höroldt die beiden Seiten des Bourdalou mit Szenen bemalt hat, von denen er so angetan war, dass er sie auf zwei Widmungsporzellanen (in etwas schwächerer Form) wiederholt hat. Angesichts der noch besseren Bemalung unseres Bourdalous halten wir diesen, auch ohne eine Widmung, für eine eigenhändige Arbeit Höroldts. Hinzukommt, dass unser Nachtgeschirr 1725, also früher bemalt worden ist, und er insofern als Vorläufer oder Vorbild für das Widmungsexemplar gedient haben kann.

Das Motiv findet sich im Schulz-Codex gleich dreimal: T 74 III 2, T 80 II 1, T 4 II 1.

Datierung
Die Angaben zur Datierung der frühen Chinoiserie Bourdalous schwanken in der Literatur zwischen 1723 und 1735. Aus den Wochenberichten der Meissner Dreher und Former (s.u.; Boltz a.a.O. S. 48 f.) wissen wir, dass Meissen die Produktion der Nachttöpfe — wie sie damals noch hießen — 1723 mit dem Böttger’schen Kalkporzellan begann, die in diesem Fall bis 1725 reichte; 1726 gab es keinerlei Fertigung, während die Produktion mit der neuen Feldspat-Masse 1727 einsetzte. Unser Bourdalou besteht aus Böttger’schen Kalksteinporzellan, wie man an seiner Transluzidität sehen kann. Wir datieren ihn daher auf etwa 1725, inkl. der zeitnahen Bemalung. Zu dieser Datierung passt, dass innerhalb dessen Kartuschen-Malerei keinerlei Goldelemente zu finden sind. Das hängt damit zusammen, dass Höroldt erst ab 1726 die Goldmalerei beherrschte und damit von Funcke und dessen Dresdner Werkstatt unabhängig geworden ist. Bis dahin stammen die Goldbordüren und Goldornamentik immer und ausschließlich von Funcke, die Kartuschen-Malerei (ohne Gold-Elemente immer und ausschließlich von Höroldt und seiner Werkstatt).

Ducret datiert den Münchener Bourdalou der Residenz ebenfalls auf 1725, allerdings ohne nähere Begründung, ebenso wie Ulrich Pietsch, der den Unterteller in der Sammlung Carabelli mit der sehr ähnlichen Malerei einer frühen chinoisen Badeszene (s.o. Pietsch Kat. Slg. Carabelli Nr. 44) Höroldt zuschreibt und ähnlich datiert. Die für Meissner Verhältnisse außergewöhnliche, lebensfrohe und schwungvolle Badeszene ist nach Ulrich Pietsch am ehesten Höroldt zuzuschreiben.

Literatur

Berling, Karl: Das Meissner Porzellan und seine Geschichte., Leipzig 1900

Boltz, Claus: Die wöchentlichen Berichte über die Tätigkeit der Meissner Dreher und Former vom 6. Juni 1722 bis 31. Dezember 1728, In Keramos 178/2002

Chilton, Meredith u. Lehner-Jobst, Claudia (Hrsg.): Fired by Passion. Vienna Baroque Porcelain of Claudius Innocentius Du Paquier. 3 Bände., Hartford / Stuttgart 2009

Den Blaauwen, Abraham L.: Meissen Porcelain in the Rijksmuseum., Amsterdam 2000

Ducret, Siegfried: „Bourdalous.“, In KFS 26/1953 S. 15 – 17

Liackhova, Lydia: The Myth of the Orient: Eastern Subjects in early Meissen Porcelain., Ausstellungskatalog Eremitage St. Petersburg 2007

Pietsch, Ulrich: Frühes Meißener Porzellan. Sammlung Carabelli., München 2000

Schurr, Eva: in Die Sammlung Ludwig in Bamberg, Petersberg 2010 Bourdalou

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