Ein Hauptwerk Kaendlers für das bis heute nahezu unbekannte erste große Service des Grafen Brühl
Modell von Johann Joachim Kaendler, Juni 1733
Meissen 1733, unterglasurblaue Schwertermarke, 27 cm hoch
Provenienz
Graf Brühl (Nachlassverzeichnis Heinrich Graf von Brühl von 1765, Ausstellungskatalog Schwanenservice 2000 S. 248 Pos. 1); Slg. Joseph Epstein, Berlin (Lichthof-Ausstellung Berlin 1904); Slg. Siegfried Ducret (1962 Nr. 119); danach dessen Tochter Rosmarie Schmidt-Ducret
Der Elefantenleuchter in Form eines geflügelten, Feuer speienden Drachen, der sich über das Postament — gebildet aus drei Elefantenköpfen mit ihren Rüsseln — erhebt und einen „Ast“ umwindet, wurde von Kaendler bereits im Juni des Jahres 1733 geschaffen. Der Arbeitsbericht des frisch ernannten Modellmeisters ist — wie immer — anschaulich und plastisch (im doppelten Wortsinn) beschrieben (Pietsch S. 19 lfd. Nr. 3):
„3. einen Leuchter pousirt, deßen Postament bestehet in Drey Elephanten köpffen, die Rüßel sind an Statt der Beine, Oben auf dem Postament befindet sich Ein Drache welcher sich um einen Ast windet, speyet Feuer aus und hält die Tille im Rachen.“
Der Kerzenleuchter ist reinster Ausdruck barocker Freude an exotischen Phantasiewelten und Zeugnis der Gestaltungskraft Johann Joachim Kaendlers. Er ist ein Hauptwerk innerhalb des Services „mit dem Aste“ – dem ersten großen Service des Grafen Brühl, noch vor dem Schwanenservice und dem Brühl’schen Allerlei.
Das Service mit dem Aste ist sowohl im Brühl’schen Inventar der „Conditorey“ in Pförten (Kat. Schwanenservice Kat. S. 232) von 1753 als auch im Nachlassverzeichnis von 1765 (Kat. Schwanenservice Kat. S. 247) jeweils an erster Stelle aufgelistet. Trotz seines immensen Umfangs (rd. 2.000 Teile, inkl. des Dessert-Services, jedoch ohne die Figuren, siehe Schwarm-Tomisch in Kat. Schwanenservice S. 130 u. Kunze-Köllensperger in Kat. Schwanenservice 2000 S. 232; Weber 2013 Bd. II S. 238 Fn. 9) ist von diesem Service bislang wenig bekannt.
Dank unseres Elefantenleuchters – den wir aufgrund von Kaendlers Arbeitsbericht und den Brühl’schen Archiv-Dokumenten dem Service mit Aste zweifelsfrei zuordnen können – kann man dieses wenig erforschte Service erstmals bestimmen, identifizieren und – mittels der ersten Order Brühls überhaupt vom April 1733 – datieren.
Pietsch, Ulrich: Die Arbeitsberichte des Meissner Porzellanmodelleurs Johann Joachim Kaendler 1706 – 1775. Leipzig 2002
Weber, Julia: Meißener Porzellane mit Dekoren nach ostasiatischen Vorbildern, Band II. München 2013
Pietsch, Ulrich (Hg.): Schwanenservice: Meissener Porzellan für Heinrich Graf von Brühl (1700-1763). Leipzig 2000
Ayers John: Porcelain for Palaces: The Fashion for Japan in Europe, 1650-1750. London 1990